GB/SB Teil 4: American Express

Wie angekündigt berichte ich über meine persönliche Erfahrungen mit verschiedenen Banken und ihren Produkten.

Es mag verwundern dass American Express (AMEX) unter einem review verschiedener Banken auftaucht. Auch wenn das Unternehmen in Europa und speziell Deutschland weniger präsent ist, handelt es sich um eine der größten Banken der Welt. Gerade in den USA und Südamerika sind Finanzprodukte dieses Anbieters sehr stark vertreten. Bekannt geworden ist AMEX in Europa durch ihre Travelers Cheques (“Reiseschecks”), die schon seit 1890 ausgestellt werden. Bereits seit 1850 bot das Unternehmen Speditionsdienstleistungen für Waren und Zahlungsmittel für die Expansion der Siedler im Westen der USA an.

Zwischenzeitlich war AMEX auch im Bereich des Investmentbankings tätig, trennte sich aber Anfang der 1990er Jahre von diesem Geschäftszweig. Erst Ende der 1980er Jahre führte American Express seine ersten Kreditkarten ein. Neben diesen Karten betreibt AMEX kartenbasierte Bonusprogramme wie Payback und bietet Co-branding seiner Karten, Beispielsweise eine Sixt- oder BMW-Kreditkarte, an.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Instituten wird kein Giro-Konto benötigt, man stellt AMEX lediglich eine Lastschriftermächtigung für ein Konto einer anderen Bank aus oder zahlt die offenen Beträge in Raten. AMEX richtet sich mit ihren Kreditkarten im wesentlichen an eine zahlungskräftige Kundenschicht sowie Unternehmenskunden.

Leistungsumfang & Komfort

Da American Express kein Filialgeschäft in Deutschland betreibt, stellt sich das Unternehmen für Kunden ähnlich wie eine Direktbank dar. Das Kreditkartenportfolio ist übersichtlich und relativ klar auf bestimmte Kundenprofile zugeschnitten. Die Verwaltung von Karten, Bonuspunkten und Umsätzen passiert per Onlinebanking auf der Website.

Die Karten sind nicht zu den bekannten Zahlungssystemen wie V-Pay, Maestro, Visa oder Mastercard kompatibel. Bei AMEX handelt es sich um ein eigenständiges System mit eigenen Karten. Im Vergleich zu Visa oder Mastercard besteht eine viel offensichtlichere Bindung zum Kreditkartenunternehmen als zur ausgebenden Bank. Nur wenige Banken bieten ihren Kunden diese Karten an, üblicherweise geht man ein direktes Vertragsverhältnis mit AMEX ein.

Das Kartenportfolio ist breit gefächert und reicht von der “Blue Card” über die “Green”, “Gold”, “Platinum” bis zur sagenumwobenen “Centurion”. Die Karten unterscheiden sich im wesentlichen durch die enthaltenen Versicherungen, Sonderkonditionen bei Partnern (Hotels, Mietwagen, Lounges) und Anzahl der Inklusivkarten.

Die Akzeptanz von AMEX in Deutschland ist durchwachsen. Während die meisten Onlineshops, Hotels und Tankstellen diese Karten annehmen, muss man gerade in der Gastronomie und im Einzelhandel damit rechnen dass die Karte nicht akzeptiert wird. Als Grund dafür wird häufig genannt, dass die Händlergebühren für American Express besonders hoch seien. Dies ist eine urban-legend denn die Gebühren wurden in den vergangenen Jahren soweit heruntergefahren dass es keinen kommerziellen Grund gibt Visa und Mastercard aber nicht AMEX zu akzeptieren.

Dennoch erzeugt jedes weitere Zahlungssystem zusätzliche Aufwände für die Akzeptanzstellen und es entsteht ein Henne-Ei-Problem zwischen Akzeptanz und Nutzung. Die quantitative Nutzung von AMEX in Deutschland liegt bei etwa 5-10% im Vergleich zur Nutzung von Mastercard bzw. Visa. Daher ist die relevante Zielgruppe für Akzeptanzsstellen offenbar zu klein, wenn auch sehr zahlungskräftig. Hinzu kommt dass American Express aus Gründen der US-amerikanischen Auslegung von Moral und Recht die Zusammenarbeit mit Dienstleistern einiger Branchen (z.B. Sportwetten, Erotik) ablehnt.

AMEX bietet ein eigenes Bonusprogramm “Membership Rewards” (“MR”) an, über das man Punkte für jeden ausgegebenen Euro erhält. Diese lassen sich gegen Prämienprodukte einlösen oder zu einem bestimmten Satz (€1 = 200MR) dem Konto gutschreiben um das offene Saldo zu reduzieren.

Im Gegensatz zu Visa und Mastercard wird in fast allen Fällen die PIN der Karte abgefragt statt einer Unterschrift zu vertrauen. Die PIN der Karte lässt sich leider nicht vom Kunden ändern.

Filialen & Automaten

American Express bietet keine Filialen oder eigenen Automaten an. Bargeldbezug ist an weltweit über 1.2 Million Automaten möglich.

Onlinebanking

Beim Onlinebanking merkt man dass Umbauarbeiten zur Modernisierung stattfinden jedoch landet man häufig auf offensichtlich uralten Bereichen der Website. Seit Ende 2014 werden zumindest die häufig genutzten Funktionen ein einem modernen Erscheinungsbild angeboten.

Zugriff auf die Kreditkartenkonten per HBCI/FinTS ist nicht möglich, jedoch bieten einige Homebanking-Lösungen einen Zugriff per web-scraping (automatisches Auslesen der Website) an, was meist gut funktioniert. Beim Zugriff per Website präsentiert sich das Kreditkartenkonto ähnlich zu einem Girokonto.

Da keine Überweisungen möglich sind entfallen entsprechende TAN. Es gibt jedoch eine Sonder-PIN für die Einsicht- und Änderung sensibler Informationen. Die Änderung von Logindaten (Passwort, Benutzername, PIN) habe ich als sehr umständlich wahrgenommen.

Gebühren & Auslandseinsatz

Je nach Karte fallen deutlich unterschiedliche Gebühren an. Über das Bonusprogramm kann man die Jahresgebühren auch mit Punkten zahlen.

Die Einsteigerkarte “Blue” erhält man ab €35 pro und ab einem Jahresumsatz von €3.500 wird diese Gebühr erstattet. Die “Green” kostet €55 und ist ab €4.000 gebührenfrei. Bei der “Gold” fallen €140 pro Jahr an und man erhält ab einem Jahresumsatz von €10.000 das Angebot sie gebührenfrei zu nutzen. Dies ist jedoch nicht offiziell dokumentiert und wird erst bei der Erwähnung einer Kündigung angeboten. Die “Platinum” liegt bei €600 jährlich und wird nicht erstattet. Wer mehr als €250.000 Umsatz pro Jahr mit seiner AMEX Platinum leistet kann mit einer Einladung zur “Centurion” Karte rechnen, diese schlägt dann mit einmalig €4.000 und jährlich €2.500 zu Buche.

Die einsatzabhängigen Gebühren sind im Vergleich sehr hoch. Man zahlt zum Beispiel für den Einsatz in einer Fremdwährung 2%, bei Bargeldverfügung mindestens €5,00 bis 4% des Abhebungsbetrags. Daher empfiehlt sich die Nutzung nur bei bargeldlosen Geschäften innerhalb des Euro-Raums.

Die hohen Jahresgebühren bieten einem im Vergleich zu anderen Karten sehr großen Gegenwert da die Versicherungsleistungen und Vergünstigungen wirklich signifikant sind. Wenn man bereits mit beiden Beinen im Reise- und Geschäftsleben unterwegs ist kann sich eine solche Karte durchaus lohnen.

Reputation

American Express ist für viele der Inbegriff einer Kreditkarte. Durch das einheitliche Aussehen sind die Karten sofort identifizierbar und können eindeutig dem jeweiligen Status zugeordnet werden. In Deutschland sind die Karten nicht weitläufig bekannt was ihnen in den Augen einiger Menschen zusätzliche Reputation gibt. Bei einer AMEX hat sich die HalterIn aktiv für ein bestimmtes Produkt entschieden und nicht weil es eine Zugabe zum Girokonto war.

Das alles wird unter anderem mit hohen Gebühren bezahlt und natürlich zwiespältig aufgenommen. Nicht wenige Mitmenschen werden es als unnötige Zurschaustellung belächeln, andere als Beweis von Bonität und einem gewissen Lebensstandard sehen. Spätestens mit der weltbekannten “Centurion” (aka. “DIE schwarze Kreditkarte”) hält man den Titan gewordenen Beweis in Händen, zu den 1% der 1% zu zählen. Wer’s braucht…

Service & Fazit

Service bedeutet bei American Express im wesentlichen die Beratung und Hilfestellung per Telefon, Post und E-Mail. Diese habe ich als sehr schnell, fachkundig und präzise kennengelernt. Man merkt deutlich den Einfluss von amerikanischer Kundendienst-Mentalität, die MitarbeiterInnen bleiben an einem Thema bis es gelöst ist und haben nicht die Aufgaben Kunden abzuwimmeln. Das mag sicher auch vom Umsatz- und Kartenstatus eines Kunden abhängig sein.

Aus technischer Sicht sind American Express vergleichbar und besser als die üblichen Kreditkarten am Markt. Bei den Zusatzleistungen setzen sie sich weit ab, auch wenn deren Umfang über die Jahre etwas geschrumpft ist. Das Bonussystem hat seinen Namen durchaus verdient und hilft dabei sichtbare Belohnungen für den Einsatz der Karte zu generieren. Insbesondere weil sich der Umfang am Umsatz orientiert und nicht eingeschränkt ist. Durch Partnerkarten und Zusatzpunkte-Aktionen lassen sich beträchtliche Vorteile generieren.

Wenn man die Gebühren für sich selbst rechtfertigen kann, ist AMEX meiner Meinung nach eine weitaus bessere Wahl als die meisten Visa oder Mastercard. Schon allein der Fakt dass man eine langjährige Kundenbeziehung ohne Bank als Mittelsmann aufbaut kann sich sehr positiv auszahlen. Leider krankt diese große Chance an etwas so banalem wie der Akzeptanz der Kreditkarten im Einzelhandel und Gastronomie. Neben allen Vorteilen und Alleinstellungsmerkmalen ist der primäre Grund für eine Kreditkarte ihre Funktion als Zahlungsmittel. Spätestens wenn man beim Geschäftsessen doch wieder die Debit-Karte zücken muss weil die Bedienung einem die kalte Schulter zeigt, fragt man sich schon wozu man sich eigentlich eine AMEX leistet.

Für den Einsatz auf Reisen oder online haben mich die Leistungen und der Service von AMEX überzeugt, insbesondere wenn man die Versicherungen und MR im großen Stil nutzen kann. Für die Nutzung als Zahlungsmittel innerhalb Deutschlands gilt diese Empfehlung aufgrund der schlechten Akzeptanz allerdings nicht.

Auf meiner Bewertungsskala von 1 bis 10 vergebe ich eine 8 für American Express.